Glück 2.0
Glück 2.0 tu einfach so als ob,
es sind dieselben Hormone und die machen ihren Job.
Deine Endorphine schwimmen wie Delfine,
ein Bisschen Dopamin auf deine Turbine.
Millisekunden werden Flugstunden,
Glück nachgebaut und nachempfunden.
Nenn es Tipp, Trick oder Kniff,
tu einfach so, als ob du glücklich bist.
Du hast dein Glück noch nicht gefunden,
tu einfach so als ob, das bringt dich auch über die Runden.
Jetzt werden Kratzwunden abgebunden,
weg mit dem Salz, ein Gedankensprung.
In eine ganz neue Umgebung,
alle Zellen tanzen und bleiben in Bewegung.
Wir überlisten das Betriebssystem,
Selfmade-Serotonin im Handumdrehen.
Einfach einreden, bist du’s glaubst,
einfach reindrehen, wie wenn du schraubst.
Einmassieren in dein Gehirn,
bis die Synapsen endlich parieren!
Und transportieren was du willst,
vor dir salutieren, weil du der Chef bist.
Jeder ist seines Glückes Schmied,
Antidepressiva versus dieses Lied.
Die auf Insta, machen es doch auch,
so viel happiness bis es jeder glaubt. Wow!
Das Feedback gibt ihnen Recht,
denn sie denken es sei echt.
Kickback, hoch die Spirale,
synthetisch beflügelt bis ins grosse Finale.
Herstellung künstlich, aber pünktlich,
und glücklich bleibt nun mal glücklich.
Egal ob produziert oder imitiert,
Glück existiert, von dir handsigniert.
Flatrate und unlimitiert,
Wasser auf die Mühle, bis es mutiert.
Es funktioniert, besuch mein Seminar,
dein Potenzial ist skalierbar.
Du musst nur hier unterschreiben,
kaum Kleingedrucktes ausser so vierhundert Zeilen.
Repetition, immer wiederholen,
immer wieder dieselben Parolen.
Rein in den Kopf, wie ein Werbespot,
und runter damit, wie ein Vodka Shot.
Immer wiederholen, bist du glaubst,
steh vor den Spiegel, sag es laut.
Kleine Dinge werden plötzlich gross,
Glück 2.0 fällt dir in den Schoss.
Multiple
Choice
der dialog zwischen bauch und hirn,
treibt uns schweissperlen auf die stirn.
wir schieben, drücken, ziehen und drehen,
bis die dinge an ihrem ort stehen.
und kaum sind wir hier, sind wir eigentlich schon dort,
kaum sind wir da, sind wir auch schon wieder fort.
kampfsport, bis zum schwarzen gurt,
wem die zeit nicht reicht, der hofft auf wiedergeburt.
viel zu viele möglichkeiten,
jemand möge mir helfen, mich zu entscheiden.
dieses privileg dreht sich gegen uns,
verarscht uns nach allen regeln der kunst.
wir sind nicht mehr herr der lage,
wir sind gestresst, gepresst in sieben tage.
costa concordia, eher in schieflage,
wir wollen nach oben, doch enden in der tiefgarage.
getrieben von der angst etwas zu verpassen,
abgeschieden, irgendwo in einer ecke zu verblassen.
lassen wir uns durch den fleischwolf drehen,
und hoffen verzweifelt auf ein verheissungsvolles leben.
wir entdecken die möglichkeiten, doch wie zusammenbauen,
ohne anleitung und schrauben nur nägelkauen.
warten und hoffen bis endlich was passiert,
vergebens, nichts kommt, am schluss nur frustriert.
verdammt, bei den andern klappt’s doch auch,
bei mir ist alles nur schall und rauch.
ein marathonlauf ohne ziel,
ich brauch teilerfolg, sonst macht es keinen sinn.
der versuch struktur in mein leben zu bringen,
missglückt, denn ich weiss nicht wo beginnen.
ich bin wie gelähmt, mir fehlen ambitionen,
ambivalenz aufgrund zu vieler optionen.
Feld Eins
du putzt, er nicht, das ist so abgemacht,
jedem seine pflicht.
du gehst mit dem hund, er nicht,
du gehst mit dem hund, punkt.
er hat viel zu tun, von früh bis spät,
licht an im büro, es geht um viel geld.
sein job hat priorität.
fehlende intimität.
eine beziehung auf diät,
die jetzt in schieflage gerät.
du kämst dein haar nach hinten,
kämpfst für dich, willst diese krise überwinden.
dein zug springt aus den schienen,
nur so kannst du lieben.
mit einem andern auf der couch,
nirvana laut!
chaos steht dir gut,
bisher fehlte der mut.
ein innerer disput,
erst die ebbe dann die flut.
aus fadenscheinig wird scheinheilig,
zurück auf feld 1, modus langweilig.
anscheinend muss das so sein,
alte muster und mutlosigkeit.
das ist die alte freiheit,
die bekannte feigheit.
alte regeln, alte ordnung,
kein risiko, zurück zur grundversorgung.
du putzst, er nicht, das ist so abgemacht,
jedem seine pflicht.
du gehst mit dem hund, er nicht,
du gehst mit dem hund, punkt.
Wimmelbild
Da stehen sie alle, in einer Schlange,
schauen auf die Uhr, es dauert noch lange.
Sitzen in Autos, Stau auf der Strasse,
Ticket entwerten in der Tiefgarage.
Sie liegen am Strand, tolle Badetasche,
Schirm gespannt und Hirn verbrannt.
Und Sand an den Füssen, rotes Fleisch_
mehr CO2 von der Fliegerei, Baby dabei, lautes Geschrei.
50 Kinder in zu grossen Klassen,
Gefängnisse voll, zu viele Insassen.
Tramfahren zur Rushhour, genau die richtige Höhe
sniff-sniff, wäääh…Nase-trifft Achselhöhle.
Lautes Gegröhle, überfüllte Gassen,
hoch die Tassen auch auf Dachterrassen.
Stadtfeste, Saufgelage,
viel zu viele: Menschenplage!
Alle mit Smartphone vor der Visage,
Nacken verspannt und keine Massage.
Im Zug zur Arbeit und wieder zurück,
überall, Polterabende bald im Eheglück.
Sie filmen ständig irgendwelche Sachen,
posen sinnlos und wollen Fotos machen.
Sitzen im Fitnessstudio, ziehen Fratzen und Grimassen
schwitzen und spritzen für wachsende Muskelmassen.
Spendensammler am Bahnhofplatz,
Bus überfüllt, Bahnersatz.
Ticket ziehen bei diesem einen Amt,
einer von vielen, bestimmt 50, verdammt!
Alle wollen essen, zur selben Zeit,
bis die Bedienung kommt, dauert eine Ewigkeit.
Dichtes Gedränge in der Fussgängerpassage,
Summa summarum: Menschenplage!
Es gibt immer
eine Lösung
Jeden Monat dasselbe Spiel, dasselbe Spiel,
die finanzielle Lage hoffnungslos instabil.
Was oben reinkommt geht unten wieder raus (sofort)
jenseits eines Lebens, in Saus und Braus.
Kein eigenes Haus, die Wohnung zu klein,
vier Köpfe in drei Zimmern, Balkon gibt’s keinen.
Urlaub, im Zelt am See ums Eck,
noch nie geflogen, noch nie weit weg.
Noch nie in einem Hotel geschlafen,
immerhin mobil, ein schäbiger Wagen.
Nie vollgetankt, immer halb leer,
sie waren noch nie am Meer.
Papa angestellt in der Fabrik zum Mindestlohn,
viel Arbeit für wenig Geld, ein Hohn.
Rechnungsstapel, Ämter eine Bedrohung,
die ständige Angst vor Repression.
Und dann sehen sie diese Werbung im TV,
es gibt immer eine Lösung, hol dir den Credit, now.
Er nickt und schaut rüber zu seiner Frau,
die Kinder längst im Bett und sie nickt auch.
Am nächsten Tag holt er den Anzug aus dem Schrank,
zwängt sich rein und macht sich auf den Weg zur Bank.
Die Frau die ihn empfängt ist hübsch und schlank,
sie prüft, drückt ein Auge zu und gibt ihm die Hand.
Vielen Dank erwidert er erstaunt,
greift ein Covert und geht raus gut gelaunt.
Er hatte irgendeinen Vertrag unterschrieben
und das Geld werde dann nächste Woche überwiesen.
Er informiert seine Lieben beim Abendessen,
endlich Urlaub, weit weg und alles vergessen.
Alle vier euphorisch und den Tränen nah,
sie umarmen sich und sind stolz auf ihren Papa.
Gleich in der nächste Woche dann alles gebucht,
Flug ab Frankfurt, all inclusiv, Strand in einer Bucht.
So haben sie zum ersten mal das Meer gesehen,
salzige Haut und Sand zwischen den Zehen.
Sie sahen diese Werbung im TV,
es gibt immer eine Lösung, hol dir den Credit, now.
Er nickte und schaute rüber zu seiner Frau.
die Kinder längst im Bett und sie nickte auch.
Und dann ging er los, der Tilgungsplan,
die fälligen Zinsen und Raten standen an.
Doch sie hatten kein Geld und konnten nicht bezahlen,
alles ausgeben und nichts an Erspartem.
So kam ein weiterer Kredit dazu,
um den ersten zu begleichen, um irgendwie auszuweichen.
Und die Schuldenfalle schnappte zu,
die Gläubiger drückten und blieben wie ein Tattoo.
Drohten mit der Kündigung des Vertrages,
wollten die Rückzahlung des gesamten Betrages.
Auf die Betreibung folgte dann die Pfändung
und das war die Bankrotterklärung.
Der tiefste Punkt war nun erreicht,
die Gesichter von Tränen aufgeweicht.
Die Familie am Boden kurz vor der Zerstörung
es gibt eben doch nicht immer eine Lösung.
Diät
Ein Ort des Abschieds und der fällt leicht,
was einmal hier ist, das bleibt.
Hier bist du Mensch, hier darfst du’s sein,
zumindest während der Öffnungszeiten.
Du kommst tonnenschwer und gehst federleicht.
auf einen Streich von allen Sünden befreit.
Egal was du bringst, alles passt rein,
hier sind alle gleich und keiner sagt nein.
Hier gibt es kein Problem,
ein Ort der Lösung im Bringsystem.
Sie nehmen alles entgegen,
gratis oder gegen wenig Geld.
Nur ein kleines Entgelt für grosse Taten,
die kriegen wirklich alles gebacken.
Ohne Widerrede und immer loyal,
der Inbegriff von Arbeitsmoral.
Alles wird digital, doch hier wird angepackt,
denn Konsumgüter sind dick verpackt.
Wenig Styropor füllt den Abfallsack,
zu Hause in der Küche, ein fahler Beigeschmack.
Das Zeug muss weg und zwar auf die Schnelle,
fachgerecht entsorgt an der richtigen Stelle.
Vielleicht mit ein bisschen Wartezeit,
egal, denn ein Besuch hier befreit.
Sie kommen in Scharen, vor allem an Samstagen,
weil sie dann Zeit haben.
Besser hier, als auf den Strassen zu deponieren,
Abfallberge die zentral eskalieren.
Wir dressieren Konsum, statt zu reduzieren,
durchmarschieren bis zum Kollabieren.
Mahnfinger, gleich wieder weg,
ich gönn euch diesen Familienevent.
Gemeinsam hinfahren, ein bisschen nervös,
abladen, tschüss, Problem gelöst.
Weitermachen bestellen wie wild,
kein Stoppschild bis zum tilt.
Doch hier wird dir alles verziehen,
dein Schrott ruht in Frieden.
Keine Chance für ein schlechtes Gewissen,
weil sie hier alle Spuren verwischen.
Chanel
ohne dich
ich will deinen atem, bitte gib ihn mir,
ein kleines souvenir bevor ich dich verlier.
ich inhalier und geb ihn nicht mehr her,
atme nicht mehr aus, der abschied fällt zu schwer.
ich liebe deinen duft, frisch und ungeduscht,
du riechst und du stinkst sogar gut.
dein parfüm und dein schweiss,
deine weisse haut und das seidenkleid.
ein tag mit dir, der abend, die nacht,
das bett, das kissen am morgen danach.
ich mags, wenn du nach gestern riechst,
ich die augen öffne und du neben mir liegst.
so echt, so rein, ein erster kuss,
dein haar zerzaust, die zähne nicht geputzt.
du riechst und du stinkst sogar gut,
in meiner nase und in meinem mund.
chanel ohne dich funktioniert nicht,
ich stand im laden und habs ausprobiert.
dein schal, dein hals, du fehlst so sehr,
dein zigarettenrauch, nikotin und teer.
du riechst und du stinkst sogar gut,
so gut, dass es weh tut.
roter lippenstift, im kerzenlicht,
roter lippenstift, verschmiert im gesicht.
Zitadelle
hier sassen wir immer draussen im garten,
die kinder spielten wir assen und tranken.
der duft von jasmin hing in der luft,
ein heisser freitag mitten im august.
der tisch gedeckt, fisch und sekt,
frischer minztee, kibbeh, schlicht perfekt.
alles ruhig im quartier,
familien die durch die strassen flanieren.
oben am berg thront die zitadelle,
geschriebene geschichte, unesco welterbe.
der duft des orient zieht durch die gassen,
pfeffer, kardamom und zimt in den nasen.
der basar lebt, das herz der stadt,
geschäfte und rabatt per handschlag.
das ist unser land, so wie wir es lieben,
unsere familien leben hier in frieden.
hier sitzen wir im keller statt im garten,
die kinder weinen wir hoffen und warten.
der duft von benzin liegt in der luft,
ein grauer kriegstag mitten im august.
die teller leer, vorräte weg,
fast kein wasser und wenn vermischt mit dreck.
bomben explodieren im quartier,
soldaten die durch die strassen marschieren.
oben am berg zerfällt die zitadelle,
vernichtete geschichte, uno blauhelme.
der duft des orient zieht durch die gassen,
pfeffer, kardamom und zimt in flammen.
der basar brennt, das herz der stadt,
geschäfte platzen per anschlag.
unser land im untergang, wir müssen fliehen,
unsere familien ermordet und vertrieben.